W 1826: Weller, Hieronymus; Haustafel ausgelegt

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Weitere Druckausgaben:


VD 16-Nr.: W 1827

Haußtafel. Ein christlich Büchlein von Geistlichem, Weltlichem und Haußregiment

Nürnberg: Johann VomBerg und Ulrich Neuber 1557 [am Schluß:] 1556

Bibliotheca Palatina Microfiche-Edition: F 1841-1842


VD 16-Nr.: W 1828

Haustafel des Catechismi ausgelegt

Leipzig: Valentin Bapst Erben 1562

mit Holzschnitten, vgl. den Artikel in Cinquecentine

digital


VD 16-Nr.: W 1829

Haußtafel Außgelegt

Nürnberg: Johann VomBerg und Ulrich Neuber 1562


VD 16-Nr.: ZV 21418

Haußtafel Außgelegt

Nürnberg 1565

digital



lateinisch


VD 16-Nr.: W 1822

De officio ecclesiastico, politica et oeconomico libellus pius et eruditus

Nürnberg: Johann VomBerg u. Ulrich Neuber 1552


weitere Standorte

London BL 847.a.25 (3)

Wiesbaden HLB: My 827

Erlangen UB: H00/4 THL-(V 141) -2

Jena UB: 8 MS 27144 (1)



VD16-Nr.: ZV 15481

Pius et eruditus libellus de officio ecclesiastico, politico et oeconomico

Nürnberg [um 1552]



VD16-Nr.: W 1823

Pius et eruditus libellus de officio

Nürnberg: J. v. Berg u. Ulr. Neuber [um 1554]


VD16-Nr.: W 1824

Pius et eruditus libellus de offitio

Nürnberg: J. VomBerg u. U. Neuber 1556

Paris Bibl. Sainte Genevieve 8R 627INV2651 RES


VD16-Nr.: ZV 17500

Pius et eruditus libellus

Nürnberg: J. VomBerg u. U. Neuber 1558


VD 16-Nr.: W 1825

Pius et eruditus libellus de officio

Nürnberg: J. VomBerg u. U. Neuber 1563

VD 16-Nr.: W 1826

Kurztitel: Haustafel ausgelegt  

Autor: Weller, Hieronymus

Druckort: Nürnberg

Erscheinungsjahr: 1556


VD16-Link

W 1826


Autor:

Weller, Hieronymus


weitere Autoren, Übersetzer, Herausgeber etc.:

Winsheim, Valentin (Übersetzer)



Beiträger:

Jonas, Justus (Vorrede)


Titel:

Haußtafel Auszgelegt/ Das ist Ein sch[oe]n Christlich B[ue]chlein/ von Geystlichem/ Weltlichem vnd Haußregiment/ vnd allen rechten Stenden


Drucker:

VomBerg, Johann und Neuber, Ulrich




Standort(e) im VD16:

München BSB

Wolfenbüttel HAB

Wien NB



weitere Standorte:

(In der Regel sind diese Standortangaben den Bibliothekskatalogen oder Verbundkatalogen entnommen. Daher ist nicht absolut sicher, dass die Exemplare tatsächlich der beschriebenen Ausgabe entsprechen. Wenn ein Exemplar autoptisch überprüft wurde, wird dies ausdrücklich vermerkt.)

Salzburg UB: 90724 I



Widmungsempfänger:

Rost, Margarete (geb. Thurler), Frau des Amtmanns Simon Rost

Krakau, Maria, Frau des sächsisch-kurfürstlichen Sekretärs Valerius Krakau (Cracow)



Historischer Kontext:

Wellers Traktat von 1552 ist die erste gedruckte ausführliche Auslegung der Haustafel, die unabhängig von einer Katechismus-Auslegung veröffentlicht wurde. Zuvor gab es nur längere Kapitel innerhalb von lateinischen Katechismen, die die einzelnen Sprüche, die Luther zu seiner “Haustafel” zusammengestellt hatte (vgl. dazu den Artikel zur Haustafel von Cyriacus Spangenberg), erläuterten (Johann Michael Reu: Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts ( = Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, Teil 1) Gütersloh 1911, ND Hildesheim 1976, S. 591*, zu den lateinischen Katechismen von Johannes Pistorius 1550 und Jodokus Willich 1551).

Die späteren Haustafelauslegungen wiederum waren fast alle Predigtsammlungen, während Weller seinen Text als Traktat verfasst. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass auch er zuerst lateinische Vorlesungen zu dem Thema gehalten und die Redekonzepte dann publiziert hat.


Wellers Auslegung der Haustafel gehört zu den lutherischen Hauslehren, die in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts eine großen Aufschwung nehmen. Zuvor war der wichtigste Titel dieser Gattung die “Oeconomia Christiana” von Justus Menius, die 1529 – im selben Jahr wie der Kleine Katechismus von Luther mit der Haustafel – herausgekommen war und dann in den 30er Jahren oftmals wiederaufgelegt wurde. Luther schrieb dazu die Vorrede. Aber schon in den 40er Jahren befassten sich immer mehr lutherische Pastoren mit dem Thema der Ehe und der Haushaltung. Es handelt sich dabei aber nicht um Texte der so genannten “Hausväterliteratur”. Diese entsteht erst am Ende des 16. Jahrhunderts (Johannes Coler) und zeichnet sich durch die Verbindung von lutherischer Hauslehre mit der antiken Agrarlehre aus. Die Haustafelauslegungen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts dagegen konzentrieren sich auf die personalen Beziehungen innerhalb des Hauses und weiten diese Perspektive auf die Kirche und den Bereich der weltlichen Regierung aus.


Druckgeschichte

Wie viele Auflagen die Nürnberger Drucker Johann VomBerg und Ulrich Neuber von Wellers lateinischer Haustafelauslegung zwischen 1552 und 1556 herausbrachten, ist noch nicht ganz geklärt, weil diese Drucke nicht datiert sind und anhand der Katalogkarten der zahlreichen Bibliotheken, die Exemplare mit dem gleichen Titel besitzen, den bekannten, im VD16 verzeichneten Ausgaben nicht eindeutig zugeordnet werden können. Dass aber VomBerg und Neuber die Nachfrage als sehr hoch einschätzten, erkennt man nicht nur an der Übersetzung ins Deutsche von Valentin Winsheim, die 1555 entstand und 1556 erschien, sondern auch daran, dass die beiden Drucker 1556 auch die “Oeconomia Christiana” von Menius noch einmal herausgaben, obwohl dieser Titel bis dahin nicht zu ihrem Programm gehört hatte. Bei Vom Berg und Neuber erschienen in diesen Jahren auch mehrere Auflagen von Paul Rebhuns “Ehefrieden” und von Johannes Spangenbergs “Des ehelichen Ordens Spiegel und Regel”.

Eine Ausgabe der deutschen Übersetzung von Wellers Traktat mit Illustrationen wurde von Valentin Bapsts Erben 1562 in Leipzig gedruckt, alle anderen bei VomBerg und Neuber in Nürnberg. Im Gegensatz zu den Ausgaben der 50er Jahre ist von den letzten beiden (lateinisch 1563, deutsch 1565) jeweils nur ein Exemplar im VD16 verzeichnet, was möglicherweise darauf hindeutet, dass von diesen Ausgaben auch nicht so viele in Umlauf kamen, dass also die Nachfrage nach dem Titel nach 1560 zurückging. Viele Auflagen gab es in den 60er Jahren dagegen von der Katechismuspredigtsammlung Cyriacus Spangenbergs, in denen am Ende auch Predigten über die Haustafel enthalten waren.


Drei-Stände-Ordnung

Der lateinische Titel hebt die Einordnung der Haustafel in die Dreiständeordnung hervor, während dieser Zusammenhang in dem Text nur in den drei Vorreden von Justus Jonas, Valentin Winsheim und von Hieronymus Weller selbst thematisiert wird. Weller umgeht mit dem lateinischen Titel das Problem, den Begriff “Haustafel” ins Lateinische zu übersetzen (der Ausdruck “Tabula oeconomica” wurde dem Inhalt offensichtlich nicht gerecht, da damit nur einer der drei Stände benannt wird).

Die Auswahl und Anordnung der Sprüche von Luther hatte das Schema der drei gesellschaftlichen Bereiche (oder “Hauptstände”, wie sie in späteren Auslegungen genannt wurden) ecclesia, politia und oeconomia von Anfang an vorausgesetzt, auch wenn in der von Luther zusammengestellten Reihe der Bibelsprüche die ersten beiden Anweisungen an die Prediger und zur Obrigkeit die übrigen, die sich auf die Stände des Hauses beziehen, wohl nur einleiten sollten. Durch die Einfügung von Zuhörern und Untertanen in der lateinischen Fassung des Kleinen Katechismus war dann diese Gliederung nach dem Schema der drei Stände noch stärker hervorgehoben worden.

Dennoch wurde anfangs, in den 30er Jahren, die Dreiständelehre von lutherischen Autoren generell selten erwähnt. Nur Justus Menius' “Oeconomia christiana” ordnete die Hauslehre durch zwei kurze Einleitungskapitel in das gesellschaftliche Ordnungsschema der drei Stände ein. Erst in den 40er Jahren kam die Drei-Stände-Ordnung gelegentlich im Zusammenhang von Predigten oder Traktaten über die Ehe zur Sprache und erfuhr dann besonders durch die Auseinandersetzungen um das Interim nach 1547 größere Verbreitung.

Denn die gnesiolutheranische Seite, die gegen das Interim und auch gegen die Version des Interims, die in einigen Gebieten von den lutherischen Landesherren durchgesetzt werden sollte, Widerstand leistete, berief sich dabei oft auf die Schrift von Luther von 1539 (Zirkulardisputaion WA 39, II, S. 39-44, vgl. Volker Stümke: Einen Räuber darf, einen Werwolf muss man töten: zur Sozialethik Luthers in der Zirkulardisputation von 1539. In: Subjektiver Geist. Reflexion und Erfahrung im Glauben (FS T. Koch), hrsg. v. K.-M. Kodalle. Würzburg 2002, S. 207-228), in der dieser den aktiven Widerstand gegen den Kaiser dadurch gerechtfertigt hatte, dass der Kaiser auf der Seite des Papstes stand. Der Papst wiederum wurde darin als ein antichristlicher “Berwolf” identifiziert, der die göttliche Weltordnung, nämlich die der drei Stände, zerstören wollte.

Die Ehe, also der Stand der “oeconomia” innerhalb der Drei-Stände-Ordnung, war in dieser Argumentation fundamental, denn die zölibateren Stände des Papsttums, wie der Klerus und das Mönchstum, fielen als “selbsterfundenes Menschenwerk” aus der von Gott eingesetzten Weltordnung heraus, und die Ehe wurde diesen päpstlichen Ständen entgegengesetzt. In einer Ausnahmesituation der Bedrohung der schon in der Schöpfung begründeten Ordnung konnte das göttliche Gehorsamsgebot nicht nur gegenüber dem Kaiser, wie schon Luther 1539 festgestellt hatte, sondern auch gegenüber den eigenen protestantischen Landesherren außer Kraft gesetzt werden.


Das Problem der “guten Werke”

Zudem gab es auch innerhalb des Luthertums eine Auseinandersetzung über die Bedeutung der “guten Werke”, die ja durch Luther für die Erreichung der Seligkeit radikal entwertet worden waren. Aus dieser Entwertung sollte nun aber keinesfalls geschlossen werden, dass die Geistlichen gar nicht mehr über das Gesetz, also vor allem das Alte Testament, predigen sollten, weil für das Gesetz allein die weltliche Gewalt zuständig sei. Vielmehr, hatte Luther betont, sollten die Prediger die Gläubigen weiterhin mit Verweis auf das alttestamentliche Gesetz zur Busse anhalten und ihnen anhand der biblischen Exempel von göttlichen Strafen vor Augen halten, wie sehr sie der Gnade bedurften. Die “guten Werke”, die die Menschen mit ihrer Arbeit und in ihrem Alltagsleben vollbringen, sollten als Gehorsam gegenüber den göttlichen Geboten auch in der Kirche von allen Menschen gefordert werden, ohne damit die falsche Hoffnung zu erwecken, sich die Seligkeit damit verdienen zu können. Dass die Gebote der Haustafel alle aus den Episteln des Neuen Testaments genommen sind, unterstreicht, dass das Gesetz des Dekalogs und die Pflicht zu “guten Werken” auch im Neuen Testament als religiöse Pflicht weiterhin gilt.

Weller spricht diesen Zusammenhang am Ende seiner Vorrede ausdrücklich an, wenn er sich gegen die “Antinomer” wendet, die nur noch über das Evangelium predigen wollten. Er bezieht sich damit, ohne Namen zu nennen, auf eine Auseinandersetzung zwischen Luther und Johannes Agricola, eben dem Vertreter der lutherischen Lehre, der dann 1548 als einziger auch das Interim des Kaisers unterschrieben hatte (Luther: Wider die Antinomer (1539), WA 50, S. 468-477, vgl. Ernst Koch: Artikel “Antinomistische Streitigkeiten”, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., Bd. 1).


Aufbau

Kapitelüberschriften:

[Vorrede von Justus Jonas] (Bl. A2r)

[Vorrede von Valentin Winsheim] (Bl. A5v)

Vorrede [von Hieronymus Weller] (Bl. B6r)

Vom Ampt vnd Eygenschafft eines frommen Bischoffes (Bl. C1r)

Vom Ampt vnd Eygenschafft eines Diacon (Bl. F4r)

Was Christlichen zuh[oe]rern des Worts zustehet (Bl. F6r)

Wie die zuh[oe]rer die frommen vnd rechtschaffene lehrer von den falschen vnterscheyden vnnd erkennen sollen (Bl. H1v)

Vom Ampt der Weltlichen Obrigkeyt (Bl. H3v)

Von den Tugenden vnd Eygentschafft Christlicher F[ue]rsten, Herren vnnd Obrigkeyten (Bl. I5r)

Von den vnterthanen (Bl. K2r)

Von den Ehemennern (Bl. L2v)

Von den Eheweibern (Bl. M3v)

Von den Eltern (Bl. O3r)

Von de[n] kindern (Bl. Q7r)

Von den hau[ss]uetern vnd Hau[ss]m[ue]ttern (Bl. S4r)

Von den knechten, megden, vnd tagl[oe]nern (Bl. T2v)

Von der gemeine jugend (Bl. V2r)

Von den Widfrawen (Bl. V7v)

Von den Schulmeistern vnd Preceptorn der Kinder (Bl. X1r)

Von frommen Sch[ue]lern (Bl. X4v]

Wellers Vorlage für seine Haustafelauslegung ist die erweiterte lateinische Version mit Zuhörern und Untertanen. In Luthers deutschsprachigem Kleinem Katechismus waren diese Stände erst ab 1540 (Zuhörer) bzw. 1542 (Untertanen) in die Haustafel aufgenommen worden. Darüber hinaus erweitert Weller die Reihe der behandelten Stände um die der Lehrer und der Schüler. Von den späteren Auslegungen unterscheidet sich die von Weller auch durch die Berücksichtigung der Pflichten der Diakone, denen er einen eigenen Abschnitt anschließend an das Kapitel über die Pfarrer widmet. Den letzten “Stand” der Haustafel, den der alles übergreifenden Liebe, behandelt Weller gar nicht.



Inhalt:

Die Vorrede von Justus Jonas, die dieser kurz vor seinem Tod (am 9.Oktober 1555) geschrieben hatte, hebt besonders die Neuheit der umwälzenden Erkenntnis Luthers hervor, dass man nur in den drei von Gott eingerichteten Ständen, nicht aber im Mönchsstand, ein gottgefälliges Leben führen könne. Valentin Winsheims Vorrede an die beiden Widmungsemfängerinnen bezeichnet das Befolgen des Gesetzes als Gehorsamkeit aus Dankbarkeit für das Versprechen der Erlösung. Wellers Vorrede, die in der lateinischen Fassung von 1552 dem Grafen Friedrich von Solms gewidmet war, betont, dass es in der Haustafel nicht um das Evangelium, sondern um das Leben in der Welt gehe. In allen drei Vorreden geht es somit um die Frage der "Werke".


Das Kapitel über die Geistlichen legt den biblischen Spruch 1. Tim Kap. 3 über die Eigenschaften eines “Bischofs” Wort für Wort aus und konzentriert sich damit auf den rechten Lebenswandel der Pfarrer. (Spätere Auslegungen fügen als ebenso wichtig die Einhaltung der rechten Lehre hinzu. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb Wellers Auslegung ab der Mitte der 60er Jahre offenbar nicht mehr dem Stand der Diskussionen entsprach und nicht mehr aufgelegt wurde.) Weller befasst sich aber auch mit der Notwendigkeit der Ordination und tritt damit denen entgegen, die sich selbst zu Predigern ernennen, wie etwa den Täufern.

Die Zuhörer werden vor allem dazu ermahnt, für den Unterhalt ihrer Prediger zu sorgen. Zu den Geboten gehört auch das des Gehorsams. Dass aber dieses Gebot nicht denselben Stellenwert hatte wie der Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, erkennt man an Wellers Ausführungen über die Anzeichen, an denen man rechte und ungeeignete Prediger unterscheiden könne. Die Autorität der Prediger wird damit an die Einhaltung der rechten Lehre gebunden. Solche Erwägungen waren gegenüber der Obrigkeit undenkbar.

Während Luther in seiner Haustafel nur die Untertanen auffordert, die Obrigkeit zu ehren, geht Weller in der Art der Fürstenspiegel auch auf die Pflichten der Landesherren gegenüber den Untertanen ein, denen Schutz zusteht. Die Kirche müsse von der Obrigkeit gefördert und mit fähigen Predigern besetzt werden, aber ihr können keine Reformen oder Zeremonien aufgezwungen werden. Hinzu fügt Weller aber auch Überlegungen über das Kriegführen, die in späteren Haustafel-Auslegungen nicht mehr aufgenommen wurden und die vermutlich im Zusammenhang mit der Niederlage der protestantische Seite im Schmalkaldischen Krieg von 1547 gesehen werden müssen. Er stellt als Regel auf, dass keine Kriege zur Ausbreitung des Evangeliums geführt werden dürften. Auch dürfe man sich nicht zu sehr auf die Gerechtigkeit der eigenen Sache verlassen. Eine weitere Regel ist, sich niemals mit den Feinden des Evangeliums zu verbünden. Außerdem stellt Weller eine Reihe von Tugenden für Fürsten zusammen: Gottesfurcht, Freundlichkeit als “Vater des Vaterlandes”, Gerechtigkeit, Klugheit, Güte und Vorsicht vor Heuchelei am Hofe.

Den Untertanen werden die Pflicht zur Ehrerbietung, zur Fürbitte im Gebet, zum Gehorsam, zur klaglosen Leistung der Abgaben und zur Nachsicht gegenüber charakterlichen Schwächen des Landesherrn zugewiesen. Vom bedingungslosen Gehorsam sind nur die Fragen des Glaubens ausgenommen.

Die Ehemänner sollen ihre Frauen lieben wie Christus seine Gemeinde, sie sollen ihre Augen von anderen Frauen abwenden, Frau und Kinder versorgen, ihr “Ehre geben” und bisweilen auch auf ihren Rat hören. Der Friede im Haus habe höchste Priorität, weil sonst kein gemeinsames Gebet möglich sei, und dadurch bekomme der Teufel die Möglichkeit, ins Haus einzudringen. Wie in den Ehelehren üblich, wird an dieser Stelle auch über das Recht des Mannes gesprochen, seine Frau bei Ungehorsam zu züchtigen. Aber Weller rät von diesem Mittel ab, lieber solle man eine ehrbare Matrone um Rat und Hilfe bitten.

Den Frauen widmet Weller das - nach dem der Prediger - längste Kapitel seines Buchs. Dabei legt er eine Stelle des Briefs an Titus, in der die idealen Eigenschaften einer Ehefrau aufgezählt werden, Wort für Wort aus. “Vernünftig” bedeute, die Fehler ihres Mannes zu ertragen, die “Keuschheit” sei nach der Gottesfurcht die wichtigste Tugend einer Frau, sie beziehe sich auch auf Gedanken und auf die Kleidung. “Häuslich sein” bedeute, möglichst wenig das Haus zu verlassen, “gütig sein” Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen. Durch “Untertänigkeit” könne sie den Charakter ihres Mannes zum Besseren ändern. Den Frauen sei das kirchliche Lehramt verwehrt, und ihr Schmuck soll das Maß, das ihre Standeszugehörigkeit setzt, nicht überschreiten. Das Kindergebären sei die eigentliche Aufgabe der Frau, und daher sei das Einverständnis zur ehelichen Beiwohnung eine Tugend und keine Schwäche. Gott dulde sogar das Lustgefühl dabei. Wichtig sei das Bewusstsein, dass es sich um “Gottesdienst” handle. Der Gehorsam gegenüber dem Mann aber sei die Grundtugend, die alle anderen Tugenden in sich trage.

Ausführlicher als in den anderen Kapiteln werden an dieser Stelle zwei Exempelgeschichten erzählt, die das bösartige Wirken des Teufels gegen die Ehe verdeutlichen sollen. Dazu siehe unten unter “Exempel”.

Die Eltern sollen ihre Kinder 1. versorgen, 2. in Zucht halten und sie unterweisen und 3. im Wort Gottes unterrichten. Das letztere sei die wichtigste Aufgabe. Wie die meisten Autoren des 16. Jahrhunderts, die sich zur Kindererziehung äußern, besteht auch Weller darauf, dass die körperliche Züchtigung bei der Erziehung unerlässlich sei. Diese Position kann sich auf viele Aussagen und Exempel aus dem Alten Testament stützen, aber die von Luther aus der Epistel des Paulus an die Epheser gezogene Stelle, auf die auch Weller sich bezieht, fordert die Väter auf, ihre Kinder nicht “zu Zorn” zu reizen, “dass sie nicht blöde werden”. Weller ermahnt daher wohl zuerst, bei der Züchtigung nicht die Selbstkontrolle zu verlieren, fügt dann aber hinzu, dies bedeute nicht, die Körperstrafe zu unterlassen, um dann ausführlich von den Gefahren der Verzärtelung zu berichten. Die Hauptgefahr wird somit nicht in der Ausuferung der Gewalttätigkeit gesehen, wie der Paulusspruch nahelegt, sondern im Gegenteil in der Verzärtelung der Kinder.

Am Ende warnt Weller besonders vor der Sünde des Fluchens, die sich von den Eltern auf die Kinder überträgt, er betont die Wichtigkeit der Erziehung zum Gebet und setzt sich mit dem Einwand auseinander, dass auch gottesfürchtige Eltern manchmal mit bösen Kindern gestraft werden. Außerdem rät er, die Kinder frühzeitig in die Ehe zu geben, aber nicht an Ehepartner, vor denen sie “einen Ekel hätten”.

Die Kinderpflichten sind Ehrerbietung und Gehorsam, sowie die Versorgung der Eltern, wenn diese alt sind. Diesen Geboten stellt Weller die entsprechenden Sünden gegenüber, die gegen diese Gebote verstoßen und gibt Exempel von göttlichen Strafen. Auch hier geht Weller am Ende des Kapitels auf das Thema der Ehe ein, nämlich auf die Frage, was ein Kind machen solle, wenn es an jemanden verheiratet werden soll, der oder die ihnen nicht gefällt. Er rät, sich an Verwandte oder Vertraute zu wenden, die ein Wort für sie einlegen könnten, viel zu beten und Gott um Hilfe zu bitten. Wenn aber alles nichts helfe, müssten sie das Kreuz, das Gott ihnen auferlege, annehmen.

Die Kapitel nach jenem über die Pflichten der Ehefrauen werden in Wellers Traktat immer kürzer, und im Kapitel über die Hausherren und Hausfrauen geht Weller darüber hinaus auch noch ausführlich auf ein sehr spezielles Problem ein: Er stellt die Frage, ob Hausgeister (spiritus familiares) gute oder böse Engel seien, ob man also die Dienste, die sie leisten, ohne Bedenken in Anspruch nehmen könne. Weller verneint die Frage, denn durch diese Geister versuche der Teufel, Zugang zum Haus zu bekommen. Weller weist darauf hin, dass es im Neuen Testament keinen guten Engel mehr gebe, und außerdem sei es die Aufgabe der Engel zu schützen, und nicht, den Menschen die Arbeit abzunehmen. Jedenfalls lehnt Weller den Glauben an Hausgeister nicht als abergläubisch ab, im Gegenteil, ihre Existenz wird nicht in Frage gestellt.

In dem Kapitel über die Hausväter geht es nicht um Probleme der Hauswirtschaft, sondern allein um das Verhältnis zum Gesinde, das zur Gottesfurcht und zur Arbeitsamkeit angehalten, aber dabei nicht überlastet werden soll. Hinweise auf die Wirtschaftshaltung im Sinne der 40 Jahre später entstehenden Hausväterliteratur (Johann Coler) gibt es nicht, während man in Menius' Oeconomia christiana schon einige wenige Überlegungen dazu finden konnte.

Das Amt der Diener wird von Weller als besonders ehrsam herausgestellt, gerade weil es von der Welt so verachtet sei. Knecht sein sollte als Gottesdienst angesehen werden, und die Wichtigkeit des Dienstes solle sich jede Magd vor Augen halten, indem sie sich vorstellt, dass das Kind, das sie in ihren Armen hält, dereinst ein großer Würdenträger sein wird.

Im Kapitel über die Jugend wiederholt Weller im Grunde das, was er auch schon im Kinderkapitel geschrieben hatte. Die Demut, die Weller als Haupttugend von ihr fordert, gilt aber für alle Stände, wie die Exempel von ehrgeizigen Lehrern, karrierebewussten Pfarrern und nach Macht strebenden Politikern der Antike erweisen.

Auf nur drei Seiten werden die Pflichten des Witwenstandes beschrieben. Ihnen wird Keuschheit und Enthaltsamkeit von unnützem Geschwätz angetragen. Alte Witwen sollten in Stille und im Gebet auf ihr Ende warten, oder sie sollten Kranke pflegen.

Auch die Kapitel zu den Schulmeistern und den Schülern, die Weller angefügt hat, umfassen nur wenige Seiten. Auch hier wird hervorgehoben, dass die Pflichten des jeweiligen Standes Gottesdienst seien. Die Lehrer sollten nicht nur Kenntnisse vermitteln, sondern auch Zucht und Gottesfurcht. Die Schüler sollen ihre Präceptoren lieben wie einen Vater.

Das Buch endet recht unvermittelt, ohne das abschließende Kapitel über die alle Stände umfassende Liebe, also dem Gebot, mit dem Luther die Reihe seiner Ständebelehrungen abgeschlossen hatte.


Exempel

Während die Exempel bei Weller durchweg kurz gehalten sind, gibt es im Kapitel über die Frauen zwei ausführlicher erzählte Geschichten, die später von verschiedenen Autoren wieder aufgenommen wurden.

Das erste Exempel ist die bekannte Geschichte vom Teufel mit dem alten Weib (Frederic Tubach, Index exemplorum. Helsinki 1969, Nr. 5361), die auch Hans Sachs als Meisterlied und als Fastnachtspiel (1545) behandelt hat: Der Teufel bedient sich der Hilfe eines alten Weibes, um ein Ehepaar, das schon lange friedlich zusammenlebt, auseinanderzubringen. Durch eine Intrige, mit der das Weib in beiden Ehepartnern einen Argwohn auf den anderen weckt, gelingt das Vorhaben auch: der Mann, der sein Leben bedroht glaubt, bringt seine Ehefrau um. Zur Belohnung erhält das alte Weib vom Teufel ein Paar Schuhe.

Dieses alte Predigtmärlein, das Luther in zwei Predigten benutzt (WA 32, S. 332f von 1532 und WA 45, S. 684f von 1538) und sich auch in seinen Tischgesprächen (WA TR 2, 98f Nr. 1429 und WA TR 6, 262f, Nr. 6908) findet, wird von Weller durch eine ähnliche Geschichte ergänzt, die ebenfalls in Luthers Tischgesprächen erwähnt wird (WA TR 5, Nr. 6933):

Ein Kaufmann in Basel verdächtigt seine Frau des Ehebruchs, nur weil sie seine alten und abgenutzten Strumpfbänder dem Hausdiener gegeben hat. Er ersticht sie, wird aber danach von Reue ergriffen und stürzt sich vom Dach des Hauses. Diese Geschichte ist tatsächlich 1532 in Basel geschehen, der von Luther und Weller nicht genannte Mörder hieß Christoph Baumgarten (J. Stumpf, Schweizer und Reformationschronik, hrsg. v. Ernst Gagliardi, H. Müller und P. Büsser, Bd. 2, Basel 1955, S. 287-290).

Die beiden Geschichten wurden von mehreren späteren Autoren in derselben Kombination wiederaufgenommen, so bei Hieronymus Mencel, Vom Amt der Eheleute. Eisleben 1563 (VD16: M 4755), Heinrich Roth, Catechismi Predigt Eisleben 1573 Bd. 1 (Predigt zum 6. Gebot, Bl. 45r) (VD16: R 3240) und im "Promptuarium exemplorum" von Andreas Hondorf, 1568 u.ö. (VD16: H 4729H 4749, ZV 8147ZV 8150, ZV 8152, ZV 17797, ZV 23019). Zum Motiv "Teufel mit dem alten Weib" vgl. Rainer Alsheimer, Katalog protestantischer Teufelserzählungen des 16. Jahrhunderts. In: Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch..., hrsg. v. Wolfgang Brückner. Berlin 1974, S. 417-519, Nrr. 47, 425, 441, 491, 511, 678.


Digitalisat

München BSB


Literatur:

Walter Behrendt: Lehr-, Wehr- und Nährstand. Haustafelliteratur und Dreiständelehre im 16. Jahrhundert. (Diss.) Berlin 2009 Internet-Publikation, S. 113-146.